Die Abteilung Kognitive Neuropsychologie

Das Hauptziel der Abteilung Kognitive Neuropsychologie besteht darin, unser Verständnis der neuronalen Mechanismen zu erweitern, die dem menschlichen Können, dem Erwerb von Fähigkeiten und der Kreativität zugrunde liegen. In den meisten Fällen dient dabei die Musik als Modelldomäne. Diese Wahl ist in erster Linie durch ein Interesse an der Musik selbst und ihren biologischen Grundlagen begründet. Musik ist eine der wichtigsten Kunstformen, und sie existiert in der ein oder anderen Form in allen bekannten menschlichen Kulturen. Die Neuropsychologie der Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem der dynamischsten Teilgebiete der kognitiven Wissenschaften entwickelt.

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Abgesehen davon, dass Musik an sich ein spannendes Phänomen darstellt, hat sie sich auch als ein sehr nützliches Werkzeug – bzw. eine Art Fenster – erwiesen, durch das wir Fragen von breiter Relevanz für die kognitive Neuropsychologie untersuchen können. Die Beschäftigung mit Musik – sei es als Interpretinnen und Interpreten, Hörerinnen und Hörer oder Schaffende – erfordert eine erstaunlich komplexe Interaktion zwischen zahlreichen Gehirnsystemen, die an Funktionen wie multisensorischer Wahrnehmung und motorischer Koordination, emotionaler Verarbeitung und sozialer Interaktion beteiligt sind. Das Erlernen neuer musikalischer Fähigkeiten wiederum stellt außergewöhnliche Anforderungen an die neuronale Plastizität und die am Lernen und am Gedächtnis beteiligten Gehirnnetzwerke. Das Erforschen von Musikern und Musikerinnen und musikalischen Aufgaben kann daher wichtige neue Erkenntnisse nicht nur über das musikalische Gehirn als solches, sondern auch über grundlegende Prinzipien der neuronalen Steuerung von Verhalten im Allgemeinen liefern.

Schließlich ist die Untersuchung des musikalischen Engagements, seiner Ursachen und Folgen auch aus einer angewandten Perspektive relevant. Die Teilnahme an musikalischen Aktivitäten, allein oder zusammen mit anderen, kann Auswirkungen haben, die nicht nur unsere musikalische Kompetenz betreffen. In diesem Zusammenhang interessieren wir uns besonders für das Phänomen des Transfers, d.h. der potentiellen positiven Nebenwirkungen des musikalischen Trainings auf nicht-musikalische Fähigkeiten und Kompetenzen, sowie für die Zusammenhänge zwischen kulturellem Engagement, psychischem Wohlbefinden und Gesundheit.

Methodisch setzen wir eine Kombination von Techniken aus der experimentellen und differentiellen Psychologie, der Verhaltensgenetik sowie strukturelle und funktionelle Neuroimaging-Verfahren ein. Diese spiegeln zum einen unsere Überzeugung wider, dass es wichtig ist, Analysen auf verschiedenen Ebenen zu integrieren – von der Verhaltens- bis zur neurobiologischen Ebene –, und zum anderen, dass wir gleichermaßen an allgemeinen Mechanismen und Prozessen interessiert sind, die für alle Menschen gelten, wie auch an den neuropsychologischen Grundlagen individueller Unterschiede. Grundsätzlich sind individuelle Unterschiede die Folge einer komplexen Interaktion zwischen Genen und Umwelt, und wir nehmen an, dass wichtige Erkenntnisse über Variationen im musikalischen Verhalten gewonnen werden können, indem das Zusammenspiel von Genen und Umwelt mit den Werkzeugen der Verhaltensgenetik analysiert wird. Generell sind wir davon überzeugt, dass ein Verständnis darüber, wie und warum Menschen Musik machen, ein wirklich interdisziplinäres Umfeld erfordert, in dem empirisch arbeitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eng mit Gelehrten relevanter geisteswissenschaftlichen Disziplinen sowie mit Kunstschaffenden zusammenarbeiten können.

News

Studie zeigt: 5-minütige Fingerübungen führen zu kreativeren Lösungen bestimmter Aufgaben

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Wie ein Forschungsteam mittels Tanzchoreographien und einer eigens entwickelten Software den Gefühlen auf die Spur kommt

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Events


Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, ArtLab

Human+AI Real-Time Improvisation [mehr]


Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik ArtLab

Das vierte Konzert der Reihe "Ligeti 100" mit Fredrik Ullén [mehr]

Forschungsgebiete

Erwerb von musikalischem Können – Gen-Umwelt-Interaktion und neuronale Mechanismen

Um ein hohes Maß an Kompetenz in einem Bereich wie dem der Musik zu erreichen, sind lange Perioden intensiven Übens erforderlich. Die Forschung in den letzten zehn Jahren hat jedoch eindeutig gezeigt, dass der Erwerb von Können ein komplexer Prozess ist, der von der Interaktion zwischen Übung und vielen anderen Faktoren abhängt – zu denen sowohl individuelle Eigenschaften als auch Umweltvariablen gehören. Ein wichtiges Forschungsziel unserer Abteilung ist es, unser Verständnis von musikalischem Können und ihren neuropsychologischen Grundlagen zu erweitern. Wir sind besonders daran interessiert, wie der Erwerb der Kompetenz vom Zusammenspiel zwischen genetischen und Umweltfaktoren abhängt.

Die kognitive Neuropsychologie der musikalischen Improvisation

Musikalische Improvisation hat sich als eine äußerst nützliche Modellaufgabe in Studien zur kreativen Kognition erwiesen, mit der wir neuronale Mechanismen, die die unmittelbare und kontinuierliche Erzeugung von neuen, bedeutungsvollen Materialien steuern, mittels der funktionellen Magnetresonanztomographie untersuchen können. Zu den Themen, mit denen wir in diesem Kontext erforschen, gehören die funktionellen Rollen verschiedener Hirnregionen für die spontane Musikerzeugung, die neuronale Umsetzung verschiedener Improvisationsstrategien und die Auswirkungen auf das Gehirn von langfristigem musikalischen Training – besonders in der Improvisation.

Kulturelles Engagement, psychisches Wohlbefinden und Gesundheit

Eine umfangreiche Forschungsliteratur liefert Hinweise darauf, dass bei vielen klinischen Erkrankungen wie Schmerzen, Ängsten und Depressionen kulturelle Aktivitäten und Maßnahmen mit kulturellen Komponenten positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben können. Gleichzeitig liefern groß angelegte Studien überzeugende Beweise dafür, dass genetische Faktoren, die mit künstlerischer Kreativität einhergehen, auch mit einem höheren Risiko für bestimmte psychische Erkrankungen wie bipolare Störung und Schizophrenie in Verbindung stehen. Die Beziehungen zwischen künstlerischem Engagement und psychischer Gesundheit sind also komplex. In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir die Art der Assoziationen zwischen kulturellem Engagement, psychischem Wohlbefinden und Gesundheit, wobei wir große, genetisch aufschlussreiche Kohorten verwenden, die hervorragende Möglichkeiten bieten, kausale Mechanismen zu analysieren und genetische Effekte von nicht-genetischen Einflüssen zu trennen.

Repräsentation musikalischer Fähigkeiten im Gehirn

Musikalische Fähigkeiten, wie das Spielen einer Melodie auf einem Klavier oder einem anderen Musikinstrument, finden sich in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns, die sowohl sensorische als auch motorische Regionen einbeziehen, repräsentiert. Zu den vielen offenen Fragen zählt, wie verschiedene Eigenschaften von musikalischen Strukturen, wie z.B. Rhythmus, Melodie und Ausdrucksqualitäten, vom Gehirn repräsentiert und gesteuert werden. Wir untersuchen diese Fragen mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie und modernster multivariater Analysen neuronaler Aktivitätsmuster.

Individuelle Unterschiede im musikalischen Engagement

Menschen unterscheiden sich stark darin, wie viel Zeit und Ressourcen sie in musikalische Aktivitäten investieren. Manche Menschen verbringen viel Zeit mit dem aktiven Üben und Aufführen von Musik und werden dabei zum Hobby- oder Berufsmusikerinnen und -musikern. Die meisten Menschen sind keine aktiven Interpreten, sondern begnügen sich damit, Musik als Zuhörer und Zuhörerinnen zu genießen. Am anderen Ende des Spektrums finden wir Menschen, die Musik gar nicht lohnend finden und wenig oder keine Zeit für musikalische Aktivitäten aufbringen. Wir sehen darüber hinaus unter Musikliebhaberinnen und -liebhabern auch interessante Unterschiede in den Vorlieben für bestimmte Stile, Instrumente und Genres. Unser besonderes Interesse gilt daher den psychologischen und biologischen Faktoren, die dieser auffälligen Variabilität zugrunde liegen, und wie sie mit anderen wichtigen Variablen, wie z.B. individuellen Eigenschaften, Umweltfaktoren und Kompetenzniveau, zusammenhängen.

Kreative Leistung

Ebenso wie Kompetenz ist kreative Leistung ein komplexes Phänomen, das ein Zusammenspiel von Individuum und Umwelt einschließt. Das Ziel dieser Forschungslinie ist es, zu analysieren, wie kreative Leistung in einem bestimmten Bereich mit individuellen Merkmalen, genetischen Faktoren sowie Umweltfaktoren zusammenhängt. Unser Schwerpunkt liegt auf der Leistung in der Musik; wir sind aber auch an künstlerischer und wissenschaftlicher Kreativität im weitesten Sinne interessiert. Um ein breites Spektrum an Leistungen abzudecken, kombinieren wir psychologische Untersuchungen in Gruppen von hochbegabten Expertinnen und Experten mit Analysen des Zusammenspiels von Genen und Umwelt in großen Zwillingsstichproben.