Der aktuelle Musikgeschmack der deutschen Bevölkerung

In der Musikgeschmacks-Forschung wird immer wieder auf Daten aus repräsentativen nationalen Umfragen zurückgegriffen. Kaum je aber ist der jeweilige Fragebogen von den Forschern selbst erstellt oder explizit zur Erhebung von Musikgeschmack entworfen. Dieser Umstand führt häufig zu wenig überzeugenden und nicht miteinander vergleichbaren Konzeptualisierungen von Geschmack und Präferenzen.

Um dem zu begegnen, haben wir eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage zum Musikgeschmack der deutschen Bevölkerung durchgeführt. Grundlage dafür war ein eigens entwickeltes multi-dimensionale Inventar zum Musikgeschmack (MIMT), das über bestehende (etwa den Short Test of Musical Preferences, STOMP) weit hinausgeht, indem nicht nur die Inhaltsdimension gemessen wird, sondern auch weitere mögliche Dimensionen wie Breite, Tiefe oder Individualität. Als unabhängige Variablen haben wir nicht nur typische soziodemographische Merkmale abgefragt, sondern auch einen Satz von Lifestyle-Indikatoren (die so-genannten Sinus-Milieus) sowie Persönlichkeits-Dimensionen. Auf diese Weise sollten soziologische und psychologische Ansätze in der Erforschung von Geschmack und den ihn beeinflussenden Faktoren verbunden werden.

Die Umfrage wurde 2016/17 mit N=2086 Teilnehmer/inne/n durchgeführt. Dass die drei beliebtesten Musikrichtungen in Deutschland Pop, Rock und Schlager sind, Metal, Deutsche Volksmusik, Rap und Jazz mehrheitlich abgelehnt werden, ist informativ, aber wohl wenig überraschend.

Momentan konzentrieren wir uns v.a. auf die folgenden Fragestellungen: 1) Ausarbeitung des mehrdimensionalen Konstrukts von Geschmack und Aufweis seiner Umsetzbarkeit und Aufschlusskraft anhand unserer Daten; 2) Anknüpfend an die soziologische Diskussion um den musikalischen „Allesfresser“ als neuen Geschmackstypus der Elite untersuchen wir, ob es solche musikalischen Omnivores (also Personen, die eine größere Anzahl unterschiedlicher Musikstile mögen; eine Dimension des Geschmacks, die wir Breite nennen) auch in Deutschland gibt und, wenn ja, ob sie die erwarteten soziodemographischen Merkmale teilen; 3) Etablierung von Gruppen innerhalb von Klassik- und Heavy Metal-Fans (Fig. 1): Denn obwohl Geschmacks-Gruppen auf Substil-Ebene ein wichtiger Teil realer Geschmackspraktiken sind, sind sie in der empirischen Geschmacksforschung so gut wie noch nie untersucht worden.