Musikalische Bewegung: Die Erfahrung und Ästhetik von Bewegung in der südindischen Raga-Musik

Die Verbindung von Musik und Bewegung kann im täglichen Leben beobachtet werden: Zum Beispiel bei der Neigung von Menschen, sich zu Musik zu bewegen und Bewegungsbegriffe zu verwenden, wenn über Musik gesprochen wird. Als Reaktion darauf haben Musikwissenschaftler und Philosophen das Phänomen der "musikalischen Bewegung" theoretisiert: Das Gefühl von Bewegung beim Hören von Musik. In diesem Projekt untersuche ich die Erfahrung von Bewegung  beim Spielen, Lernen und Hören von Musik und konzentriere mich auf die karnatische Musik, einem Raga-basierten Stil aus Südindien. Da die  karnatischen Vokalisten zu spontanen Handgesten neigen, interessiert dieser Musikstil in diesem Zusammenhang ganz besonders.

Dieses Projekt verfolgt zweierlei Ziele. Das Erste besteht darin, zu erläutern, wie musikalische Bewegung zur Bedeutung in diesem speziellen Stil beiträgt: Wie sie sich mit theoretischen und ästhetischen Konzepten wie Rāga (melodischer Typ), Sañcāra (charakteristischer Ausdruck) und Bhāva (Stimmung) überschneidet. Das zweite Ziel des Projekts besteht darin, fundamentale Fragen bezüglich der Natur musikalischer Bewegung zu beantworten, die Konsistenz zwischen den Selbstberichten der Zuhörer über deren erlebte musikalische Bewegung zu erfassen und die Frage zu stellen, ob eine Übereinstimmung zwischen der Hörererfahrung und der Bewegung des Ausführenden existiert. Um diese Ziele zu erreichen, verwendet das Projekt einen interdisziplinären Ansatz, der Methoden aus Musikwahrnehmung, Musikanalyse und Ethnomusikologie zusammenführt.

Die Ergebnisse aus den verschiedenen Bereichen dieses Projekts werden zusammengeführt mit dem Ziel, die Bedeutung von Raga-Performance in Südindien und dabei insbesondere den Beitrag von Bewegung zu verstehen. Darüber hinaus verspricht das Projekt Beiträge zum Verständnis der Erfahrung musikalischer Bewegung ganz allgemein. Diese Forschung ist bedeutsam, denn obwohl der Geist-Körper Dualismus intensiv diskutiert wurde, gibt es in der Musikwissenschaft und in verwandten Diszplinen nach wie vor eine Tendenz, den Körper und seine Bewegung nicht in die Betrachtung musikalischer Bedeutung, Erfahrung und Ästhetik einzubinden.

Publikationen

Nuttall, T., Serra, X., & Pearson, L. (2024). Svara-forms and coarticulation in Carnatic music: An investigation using deep clustering. Proceedings of the 11th International Conference on Digital Libraries for Musicologyhttps://doi.org/10.1145/3660570.3660580

Pearson, L., & Pouw, W. (2022). Gesture–vocal coupling in Karnatak music performance: A neuro–bodily distributed aesthetic entanglement. Annals of the New York Academy of Sciences. https://doi.org/10.1111/nyas.14806

Pearson, L. (2022). Inscriptions, Gesture, and the Self: Notation in Karnatak Music. In E. Payne & F. Schuiling (Eds.), Material Cultures of Music Notation: New Perspectives on Musical Inscription. Abingdon: Routledge. https://doi.org/10.4324/9780429342837-13

Pearson, L. (2021). “Improvisation” in Play: A View through South Indian Music Practices. In A. Bertinetto & M. Ruta (Eds.), The Routledge Handbook of Philosophy and Improvisation in the Arts (pp. 446-461). Abingdon: Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003179443-35

Pearson, L. (2020). A Socially Situated Approach to Aesthetics: Games and Challenges in Karnatak Music. In A. Hamilton & L. Pearson (Eds.), The Aesthetics of Imperfection in Music and the Arts: Spontaneity, Flaws and the Unfinished (pp. 61-72). London: Bloomsbury Academic. https://doi.org/10.5040/9781350106086.0016

Hamilton, A., & Pearson, L. (Eds.), (2020). The Aesthetics of Imperfection in Music and the Arts: Spontaneity, Flaws and the Unfinished. London: Bloomsbury Academic.

 

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