Musikalische Entwicklung von Kindern
Wie lernen kleine Kinder, Rhythmen und Melodien zu singen? Wie entwickeln sie ihren musikalischen Geschmack? Können wir spontanes, implizites musikalisches Lernen mit gezielten Übungen fördern?
Unsere Forschungseinheit "Musikalische Entwicklung bei Kindern" möchte Antworten auf diese und ähnliche Fragen finden. Wir nutzen dabei eine Vielfalt methodischer Ansätze - von Eltern- und Erzieher-Umfragen bis hin zu unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Verhaltensmessungen bei den Kindern.
Untersuchung der Entwicklung ästhetischer Verhaltensweise am Beispiel Musik
Die Produktion und Rezeption von Musik ist ein Beispiel universellen ästhetischen Verhaltens, das Menschen in allen Gesellschaften und Kulturen zeigen. Die aktive Beschäftigung mit Musik entspringt grundlegenden Bedürfnissen nach sinnlich-körperlicher Selbsterfahrung, Selbstausdruck und dem Kontakt zu anderen. Um die psychologischen, sozialen und neuronalen Grundlagen dieses Verhaltens besser zu verstehen, ist der Blick auf seine Individualentwicklung aufschlussreich: Häufig legen Entwicklungsverläufe Strukturen und Funktionen offen, die unser Verständnis der Verhaltensweisen (weit über den Lernprozess selbst) maßgeblich voranbringen.
Musikalische Entwicklung findet über die gesamte Lebensspanne statt, wobei die größten, dynamischsten Entwicklungen in der Kindheit und Jugend stattfinden. Kleine Kinder lassen sich von Musik leicht begeistern und motivieren. Wenn sie in einer von Musik geprägten Umgebung aufwachsen, erwerben sie musikalische Fähigkeiten spontan und ohne explizite Instruktion. In den späteren Kindheitsjahren fällt bei den Kindern die Entscheidung, selbst aktiv zu musizieren oder ein aktiver Zuhörer zu sein. Dies kann dann im Jugendalter zur Definition der eigenen Identität genutzt werden.
Kooperation mit Kindergärten im Frankfurter Raum
Um musikalische Entwicklung in der frühen Kindheit besser zu verstehen – und um sie letztendlich pädagogisch unterstützen zu können – kooperieren wir mit Kindergärten im Frankfurter Raum. Wir erforschen die musikalische Entwicklung der ein- bis sechsjährigen Kinder dieser Kindergärten unter vier verschiedenen Gesichtspunkten:
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- Wir führen umfassende, systematische längsschnittliche Untersuchungen musikalischer Fähigkeiten im Kindergartenalter durch. Zu den untersuchten Fähigkeiten gehören beispielsweise das Singen von Melodien, die Rhythmusproduktion, das Wahrnehmen relativer Tondauern und das Tanzen/Bewegen zur Musik. Wir werden sowohl bestehende als auch neu entwickelte Testverfahren einsetzen, um ein breites Spektrum unterschiedlicher musikalischer Fähigkeiten zu messen.
- Wir untersuchen musikalische Entwicklungsverläufe im Kontext genereller (kognitiver, affektiver, motorischer) Entwicklungsverläufe. Auf diese Weise wollen wir mögliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Entwicklungsdomänen erforschen (z.B. zwischen generellen kognitiven Fähigkeiten und ästhetischer Erfahrung von Musik).
- Wir werden pädagogische Forschung mit konkretem Anwendungsbezug durchführen: Im Rahmen von Trainingsstudien untersuchen wir zum einen, ob, wann und wie spezifische musikalische Fähigkeiten durch zeitlich begrenzte pädagogische Interventionen gezielt gefördert werden können. Zum anderen untersuchen wir mögliche Transfereffekte musikpädagogischer Interventionen auf andere kognitive Fähigkeiten (z.B. phonologische Bewusstheit oder exekutive Funktionen).
- Wir untersuchen, ob, wann und wie Kinder ein gedankliches Konzept von Ästhetik entwickeln. Wenn sich Kinder mit Musik beschäftigen, haben sie dann das Gefühl, dass sie etwas ähnliches tun wie malen oder Geschichten erfinden? Oder ist es für sie eine Aktivität wie jede andere, etwa „Brot schneiden“ oder „Schuhe zubinden“? Wir untersuchen die Spezifität ästhetischer Entwicklung, indem wir zwischen verschiedenen ästhetischen Bereichen - Musik, Literatur und bildender Kunst - vergleichen, ob, wie und wann Kinder diese als getrennt von nicht-künstlerischen Verhaltensweisen betrachten.
Forschungsfragen
Musikalische Entwicklung erfassen
Auf welche Weisen beschäftigen sich kleine Kinder mit Musik, und wie können wir ihre Fähigkeiten messen?
Studien für Kinder
Um etwas über die musikalische Entwicklung zu erfahren, brauchen wir natürlich Teilnehmer:innen für unsere abwechslungsreichen Studien. Wir bieten vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter ganz unterschiedliche Studien an. Dabei sind alle Aufgaben kindgerecht und die Teilnahme ist spielerisch gestaltet. Jede Studie bietet abwechslungsreiche und spannende neue Erlebnisse: Es werden Rätsel gelöst, Instrumente ausprobiert, Musik gehört oder auch gemeinsam musikalische Spiele erlebt.
Entwicklung eines Kunst-Konzepts bei Kindern
Wie entwickelt sich bei Kindern ein gedankliches Konzept von Ästhetik/Kunst?
Publikationen
Will, J. K., Roeske, C., & Degé, F. (2024). Development of tonality and consonance categorization ability and preferences in 4- to 6-year-old children. Frontiers in Psychology, 15. doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1270114
Degé, F., Frischen, U., & Schwarzer, G. (2024). Musikunterricht und kognitive Entwicklung. In G. Bernatzky, & G. Kreutz (Eds.), Musik und Medizin: Chancen für Therapie, Prävention, Rehabilitation und Bildung (2, pp. 515-538). Berlin, Heidelberg: Springer. doi:10.1007/978-3-662-67506-9_27.
Frischen, U., Degé, F., & Schwarzer, G. (2022). The relation between rhythm processing and cognitive abilities during child development: The role of prediction. Front. Psychol. 13:920513. doi: 10.3389/fpsyg.2022.920513
Buren, V., Müllensiefen, D., Roeske, T.C., & Degé, F. (2021). What Makes Babies Musical? Conceptions of Musicality in Infants and Toddlers. Frontiers in Psychology, 12:736833. doi.org/10.3389/fpsyg.2021.736833
Buren, V., Müllensiefen, D., Roeske, T., & Degé, F. (2021). What makes a child musical? conceptions of musical ability in childhood. Early Child Development and Care, 191(12), 1985–2000. doi.org/10.1080/03004430.2020.1866566
Buren, V., Degé, F., & Schwarzer, G. (2021). Active music making facilitates prosocial behaviour in 18-month-old children. Musicae Scientiae, 25(4), 449–464. doi.org/10.1177/1029864919892308
Degé, F. (2021) Music Lessons and Cognitive Abilities in Children: How Far Transfer Could Be Possible. Front. Psychol. doi: 10.3389/fpsyg.2020.557807
Degé, F., Müllensiefen, D., & Schwarzer, G. (2020). Musical abilities and phonological skills in 9- to 12-year-old children: Can singing abilities predict phonological awareness? Jahrbuch Musikpsychologie(29). doi: 10.5964/jbdgm.2019v29.66
Degé, F., Patscheke, H., & Schwarzer, G. (in press). The influence of music training on motoric inhibition in German preschool children. Musicae Scientiae.
Frischen, U., Schwarzer, G., & Degé, F. (in press). Music lessons enhance executive functions in children. Learning and Instruction.
Degé, F. (in press). Kognitive Transfereffekte musikalischer Betätigung im Grundschulalter.
Degé, F. (2019). Musikalische Fähigkeiten, Entwicklung. In M.A. Wirtz (Ed.). Dorsch: Lexikon der Psychologie. (S.). Bern: Verlag Hans Huber, Hogrefe AG.
Degé, F. (2018). Entwicklungstheorien und Entwicklungsaufgaben. In J. Strohmer (Ed.). Psychologie-Wissen für Fachkräfte in Kita, Krippe und Hort (pp. 99–106). Göttingen: Hogrefe.