02. Februar 2018

Call for Papers: Resonanz...

Internationale Tagung
"Resonanz als Paradigma der kulturwissenschaftlichen und soziologischen Musikforschung"
6.–8. Dezember 2018

Organisatoren: Melanie Wald-Fuhrmann (MPIEA), Karsten Mackensen (Universität Gießen, Sprecher der Fachgruppe Soziologie und Sozialgeschichte der Musik im Rahmen der Gesellschaft für Musikforschung) und Wolfgang Fuhrmann (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz).

Bitte senden Sie bis zum 30. April 2018  einen Titelvorschlag mit Abstract (maximal 300 Wörter) und kurzen Angaben zu Ihrer akademischen Ausbildung und Ihren Forschungsschwerpunkten an resonanzen@ae.mpg.de.

Der Begriff der Resonanz scheint auf dem Weg, ein neues kulturwissenschaftliches Paradigma zu begründen. Eigentlich ein Phänomen der Akustik – das erzwungene Mitschwingen von Körpern –, ist er auch eine etablierte Metapher für Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Bereichen der sozialen Realität. Neuerdings erfährt er innerhalb des Interesses am Klanglichen oder Sonischen einerseits, am Körperlichen andererseits intensive Aufmerksamkeit. Das Wort „Resonanz“ hat etwas Schillerndes, es setzt gleichsam von selbst Konnotationen und Metaphernbildungen in Gang. Nicht zuletzt deswegen stößt das Wort in vielen kulturwissenschaftlichen Feldern auf Resonanz: natürlich in der Musik, aber auch in der philosophischen Ästhetik (Grüny 2013) und zuletzt prominent in der Soziologie (Rosa 2016; Wetzel 2014 a und b; vgl. auch Peters/Schulz 2017). Was Dietmar Wetzel betont, gilt uneingeschränkt auch für eine Anwendung des Begriffs im Bereich der Musiksoziologie: „Aus einer kritischen Perspektive heraus muss aus meiner Sicht verhindert werden, dass aus dem ebenso faszinierenden wie ubiquitär vorhandenen und diskutierten Phänomen der Resonanz ein ,Plastikwort’ (…) wird, mit dem wir alles und gleichzeitig nichts erklären können“ (Wetzel 2014b, 18).

Demgemäß gilt es, die Tragfähigkeit des Konzepts für das Erklären und Verstehen musiksoziologischer Tatbestände zu erproben, für die ein deterministisches Widerspiegelungsmodell heute nicht mehr angemessen scheint. Unser Interesse gilt vorrangig der Frage nach den sozialen Wirkungen von Musik: Sind diese Wirkungen möglicherweise adäquater als (positive oder negative) Resonanzen zu beschreiben, die entsprechende „Gestimmtheiten“ von Seiten der sozialen Akteure voraussetzen? Im Kern geht es um die soziologisch äußerst schwierige Frage, wie sich Verbindungen zwischen einer ästhetischen Kommunikationsform und anderen gesellschaftlichen Bereichen erklären lassen. Deshalb sollen ästhetische Fragen hier nicht aus-, sondern eingeschlossen werden, ohne Ästhetik auf Soziologie reduzieren zu wollen.

Disziplinär verankert ist die Tagung mithin in der Musiksoziologie, einem Begegnungsraum von historischer und systematischer Musikwissenschaft, Kultursoziologie und Kulturgeschichte; interdisziplinär will sie für alle im weitesten Sinne Kultur und Gesellschaft reflektierenden Ansätze offen sein, seien sie philologisch oder empirisch, seien sie kulturwissenschaftlich, anthropologisch, philosophisch-ästhetisch, medientheoretisch oder sozialpsychologisch. Im Zentrum steht die Bestimmung von Resonanz als musiksoziologischer Kategorie; diese dürfte nicht auskommen ohne eine Auslotung unterschiedlicher Teilbereiche des großen Resonanz-Terrains. Die Organisatoren schlagen die Konzentration auf zwei Hauptbereiche vor, deren Abgrenzung oder Integration einen Schwerpunkt der Diskussion bilden dürfte: nämlich zum einen soziologische, ästhetische und kulturwissenschaftliche Modelle, zum anderen physiologische, kognitionswissenschaftliche und sozialpsychologische Ansätze. Historische Tiefenbohrungen sind aus Sicht der Veranstalter genauso wichtig wie die streng theoretische Systematisierung der Kategorie.

Die Tagung wird im Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main (Grüneburgweg 14) stattfinden.

Sie werden Ende April verständigt, ob Ihr Vorschlag angenommen wurde. Reise- und Aufenthaltskosten können für Härtefälle übernommen werden; bitte wenden Sie sich dazu formlos an die Veranstalter.

Beiträge könnten folgende Aspekte behandeln:

  • theoretische Modellierung und Fallstudien der Wechselwirkung von Musik mit anderen gesellschaftlich-kulturellen Bereichen
  • historische Wurzeln des Resonanzkonzepts: Wissenskulturen, akustische Experimente, platonisch-pythagoreische oder andere epistemische Hintergründe
  • Gründe der gegenwärtigen Attraktivität von „Resonanz“ in den Kultur- und Sozialwissenschaften
  • Fragen nach der Ermöglichung psychischer, politischer, religiöser etc. Resonanzen durch Musik
  • Möglichkeiten einer psychologischen oder neurowissenschaftlichen Formulierung eines Resonanzkonzepts
  • Überlegungen zu soziomotorischer Resonanz
  • Artistic research und künstlerische Praxis im Raum der Resonanz

 

Literatur

Adam, Meike (2009): Soziomotorische Resonanz. Spiegelneuronen und ihre mögliche Bedeutung für menschliche Kommunikation. In: Resonanz. Potentiale einer akustischen Figur, hrsg. v. Karsten Lichau et al., München: Fink, S. 325–338

Grüny, Christian (2013): Artikulation und Resonanz. Sprachverstehen als zwischenleiblicher Vorgang. In: Emmanuel Alloa und Miriam Fischer (Hg.): Leib und Sprache. Zur Reflexivität verkörperter Ausdrucksformen, Weilerswist: Velbrück (Kulturen der Leiblichkeit Bd. 1), S. 79–91

Peters, Christian Helge und Peter Schulz, Hrsg. (2017): Resonanzen und Dissonanzen. Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion, Bielefeld: transcript

Rosa, Hartmut (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung, Berlin: Suhrkamp

Wetzel, Dietmar (2014a): Auf der Suche nach Resonanz und Anerkennung – eine ethnographische Analyse moderner Subjektivierungsverhältnisse im Fitness-Studio. Working Paper der DFG-KollegforscherInnengruppe Postwachstumsgesellschaften, Nr. 6/2014, Jena

Wetzel, Dietmar (2014b): Polyamouröse Beziehungen als gelingende Lebensform? Resonanz- und anerkennungsanalytische Reflexionen. Working Paper der DFG-KollegforscherInnengruppe Postwachstumsgesellschaften, Nr. 08/2014, Jena