18. November 2019

Geliebt oder gehasst?

Geliebt oder gehasst?

Ein Team von Neurowissenschaftlern am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik hat eine neue Methode entwickelt, um Schwankungen im Filmvergnügen zu erfassen, die während des Anschauens von Videos entstehen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift PLOS One veröffentlicht.

In ihrer Studie bat das Forscherteam zwei Teilnehmergruppen, sich 30 Sekunden lang künstlerische Videoclips von Naturlandschaften und Tanzperformances anzusehen, um die mentalen Prozesse zu erfassen, die von ästhetischen Erfahrungen ausgelöst werden. Während beide Teilnehmergruppen eine ästhetische Gesamtauswertung des Erlebnisses abgaben, bewertete nur die erste Gruppe kontinuierlich ihren ästhetischen Genuss mittels eines Reglers.

Die Forscher stellten fest, dass die kontinuierlichen Beurteilungen sehr unterschiedlich ausfielen, selbst wenn die gleichen Videoclips ansehen wurden. Es gab Momente, in denen einige Teilnehmer ihre Bewertungen erhöhten, während andere ihre Bewertungen verringerten. Darüber hinaus zeigten sich manche Teilnehmer sehr empfindlich gegenüber schnellen Änderungen in den Videos und drehten häufig den Regler, während andere nicht auf solche schnellen Änderungen reagierten. Edward Vessel, leitender Autor der Studie erklärt dazu:

„Ungeachtet der Tatsache, dass alle die gleichen Videos gesehen haben, war der Grad, in dem wir schnelle Veränderungen im Genuss beobachtet haben, eher abhängig davon, wer den Clip angeschaut hat, als davon, welcher Clip gesehen wurde.“

Das Team stellte auch fest, dass die kontinuierliche Bewertung die ästhetischen Erfahrungen der Beobachter nicht zu beeinträchtigen schien. 

„Unsere persönlichen Erfahrungen mit der visuellen Welt, einschließlich Tanz, der Natur oder Kunstwerken, entwickeln sich im Laufe der Zeit. Der größte Teil unseres Verständnisses von solchen Erfahrungen stammt jedoch aus Studien, die Standbilder von Gemälden oder Landschaften verwenden und nur eine einzige Aussage dazu erfassen“,

so die Hauptautorin Ayse Ilkay Isik. Sie glaubt, dass das Sammeln von kontinuierlichen Bewertungen und die Entwicklung von Methoden zu ihrer Charakterisierung dabei helfen werden, die mentalen Prozesse hinter ästhetischen Erfahrungen besser zu verstehen – vor allem, warum verschiedene Menschen zum Teil fundamental unterschiedliche Ansichten über den ästhetischen Wert einer Performance haben können. 

Die Autoren sind der Auffassung, dass ihre Methodik auch dazu verwendet werden kann, andere Arten von Erfahrungen zu beschreiben, die sich über einen Zeitraum hinweg entfalten, darunter Emotionen oder das Empfinden von Schmerzen. Sie sind zuversichtlich, dass diese Methoden genutzt werden können, um einen Zusammenhang zwischen kontinuierlichem ästhetischem Genuss und der Kommunikation über verschiedenen Gehirnsysteme hinweg herzustellen. 

Originalpublikation: 

Isik, A. E., & Vessel, E. A. (2019) Continuous Ratings of Movie Watching Reveal Idiosyncratic Dynamics of Aesthetic Enjoyment. PLOS One, 14(10): e0223896. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0223896

Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:

Ayse Ilkay Isik