01. Juli 2015

Prädiktionen in der Verarbeitung gesprochener und geschriebener Sprache

Gegenwärtige Theorien sensorischer Wahrnehmung gehen davon aus dass das, was wir hören oder sehen, nicht nur auf das sensorische Signal zurückgeht, sondern ebenso bereits bestehende Erfahrungen und Annahmen mit berücksichtigt.

Eine solche Annahme geht im Grunde auf die Theorie von Helmholtz zurück und besagt, dass Wahrnehmung unbewusst Information aus dem Langzeitgedächtnis abruft. Damit steht der Ansatz im Mittelpunkt eines sogenannten “predictive coding” Models, welches auf die Verarbeitung gesprochener und geschriebener Sprache angewandt wird.

Zu diesem sehr aktuellen Thema ist in der Fachzeitschrift CORTEX eine Sonderausgabe erschienen, in der die Editoren eine prinzipielle Unterscheidung zwischen neuronaler Voraktivierung linguistischer Einheiten (was kommt als nächstes) und der zeitlichen Kodierung regelmäßiger Stimulierung (was kommt wann) vorschlagen. Die Beiträge in dieser Sonderausgabe demonstrieren, wie gut prädiktive Prozesse auf allen Ebenen der linguistischen Beschreibungshierarchie, d.h. Einzellaut, Wort, und Satz, Verarbeitungsmechanismen erklären können.

Experimentelle Daten stammen von gesunden Versuchspersonen sowie von Patienten und sind mit den neuesten bildgebenden Verfahren, d.h. Elektro- und Magnetoenzephalographie (EEG, MEG) sowie funktionaler Kernspintomographie, aufgenommen worden. Außerdem sind inhibitorische Methoden der Gehirnaktivierung zum Einsatz gekommen, die in direkter Weise einen Kausalzusammenhang zwischen neuronaler Aktivierung und meßbarem Verhalten herstellen können.

Originalpublikation:

Tavano, A., & Scharinger, M. (2015). Prediction in speech and language processing. Cortex, 68(0), 1-7. doi:10.1016/j.cortex.2015.05.001  

Kontakt:

Dr. Alessandro Tavano
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
+49 69 8300479-321

Dr. Mathias Scharinger
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
+49 69 8300479-117