Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Library Talks: Wissensordnungen und ihre Gestalt in geisteswissenschaftlichen Bibliotheken
Achim Hölter
(Universität Wien)
Wissensordnungen dienten bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dazu, eine ideale Disposition menschlicher Kenntnisse mit den standardisierten Konventionen realer Bibliotheksräume in Übereinstimmung zu bringen. Leitmedien waren einerseits das gedruckte Buch, andererseits verschiedene, einander ablösende Katalogformate. Auch nach der digitalen Wende sind Bibliotheksräume im Wesentlichen noch nach den Prinzipien analoger Medien gestaltet, auch wenn dies oft nur noch für die Freihandbereiche oder Handbibliotheken gilt.
Für geisteswissenschaftliche Bibliotheken bieten sich konkurrierende Ordnungssysteme mit unterschiedlicher internationaler Verbreitung an. Diese lassen sich auf ihre Sinnhaftigkeit, Funktionalität, aber auch – in begrenztem Maße – auf ihre Semantik und Eleganz hin vergleichen. Dasselbe gilt für die architektonischen Gestaltungsmodelle. Für jede bibliothekarische Wissensordnung besteht das Problem, bestimmte Wissensgebiete oder Disziplinen einerseits fest zu verorten, andererseits für möglichst viele Diskurse anschlussfähig zu machen. Hier kommt die primäre Trennung zwischen analoger, printbezogener Ordnung und digitaler Polyvalenz ins Spiel.
Mit der praktischen Lösung durch Mehrfachverzeichnungen ist die Frage nach dem realen und dem idealen Standort einer Disziplin in einem möglichst perfekten System des menschlichen Wissens aber nicht beantwortet. Insofern stellt sich die Frage nach der Lokalisierung der Ästhetik immer noch und immer wieder.
Die Veranstaltung findet auf Deutsch statt.
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Kurzbio
Univ.-Prof. Dr. Achim Hölter, geboren 1960 in Dülken (Rheinland, Deutschland), war nach Lehrtätigkeiten in Wuppertal, Bochum und Bonn von 1997 bis 2009 Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Münster und hat seit 2009 die gleiche Position an der Universität Wien inne. Von 2005 bis 2011 war er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Hauptorganisator des XXI. Weltkongresses der ICLA in Wien (The Many Languages of Comparative Literature. La littérature comparée: multiples langues, multiples langages. Die vielen Sprachen der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Collected Papers of the 21st Congress oft the ICLA. 5 Bände. Berlin/ Boston 2020-2024). Seine Forschungsschwerpunkte sind Romantikforschung, Themen- und Diskursforschung, Kunst- und Literaturhistoriographie, Ritualisierungen der Literatur, ästhetische Selbstreferenz, Comparative Arts, internationale Rezeptionsgeschichte, Kanonforschung, Bibliotheken und Literatur. Einige Buchveröffentlichungen: Ludwig Tieck: Literaturgeschichte als Poesie (1989); Die Invaliden (1995); Die Bücherschlacht (1995); (Hrsg.): Marcel Proust. Leseerfahrungen deutschsprachiger Schriftsteller von Theodor W. Adorno bis Stefan Zweig (1998); (Hrsg.): Comparative Arts (2011); (Hrsg. mit Rüdiger Zymner): Handbuch Komparatistik (2013); (Hrsg. mit Stefan Alker): Literaturwissenschaft und Bibliotheken (2015); (Hrsg. mit Monika Schmitz-Emans): Literaturgeschichte und Bildmedien (2015), In 200 Büchern um den Globus. Expeditionen in die neuere Weltliteratur (2023). Neu verfügbar ist die Datenbank des vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projekts: Ludwig Tiecks Bibliothek. Anatomie einer romantisch-komparatistischen Büchersammlung: https://tieck-bibliothek.univie.ac.at.