Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
IDEA lectures mit Werner Grünzweig
Harald Kaufmann und die Entwicklung des Begriffs der ästhetischen Wertungsforschung.
Dr. Werner Grünzweig studierte zunächst Klavier an der Grazer Musikhochschule, danach Musikwissenschaft und Amerikanistik an der Freien Universität Berlin, Promotion mit einer Dissertation über Alban Bergs Analysen von Schönbergs Musik. Er wurde 1991 Assistent für Musikwissenschaft an der Hochschule der Künste Berlin und leitet seit 1994 die Musikarchive der Akademie der Künste, in welcher Funktion er zahlreiche Komponisten-, Interpreten- und Theoretikerarchive einrichtete, darunter das von Harald Kaufmann. Er ist Initiator und Herausgeber der Reihe „Archive zur Musik des 20 Jahrhunderts“ (bislang 14 Bände) sowie mehrerer Publikationen über Artur Schnabel und Wilhelm Kempff. Zusammen mit Gottfried Krieger veröffentlichte er 1993 Harald Kaufmanns Von innen und außen, eine Ausgabe von nachgelassenen Schriften und Briefen Kaufmanns sowie den Aufsatz „Werten als Wissenschaft: Spurlinien eines Begriffs“ (in: Kunst und Geisteswissenschaften aus Graz, hg. von Karl Acham, Wien 2009). Jüngst edierten Werner Grünzweig und Gottfried Krieger eine Reihe von Feuilletons von Harald Kaufmann unter dem Titel Musikalische Reisebilder, die 2015 als Band 58 der von Kaufmann begründeten Studien zur Wertungsforschung erschienen.
Abstract: 1967 gründete Harald Kaufmann an der Grazer Musikakademie – heute Universität für Musik und darstellende Kunst – ein Forschungsinstitut, das sich unter dem Namen „Institut für Wertungsforschung“ der interdisziplinären Erforschung von Wertungsvorgängen in den Künsten widmen sollte. Kaufmann hat den Widerspruch zwischen der Berufung auf das (angeblich) Subjektive und den objektiven Gegebenheiten, die diese Urteile steuern, deutlich erkannt. Kaufmann schloss daraus, dass gerade spontane Urteile und Bekundungen von Sympathien oder Antipathien auf Gruppennormen zurückzuführen seien, die eine solche Gesetzmäßigkeit bewiesen, dass sie sich empirisch-experimentell erforschen ließen. Anstatt sich auf eine unfruchtbare Diskussion über den Stellenwert des Subjektiven einzulassen, entlarvte Kaufmann das subjektive Urteil als ein Produkt aus gesellschaftlicher Vermittlung und psychophysischen Mechanismen. Kaufmann, der sein Institut in Form von Arbeitskreisen führen wollte, konnte seine Vorhaben nur in Ansätzen realisieren. Er starb drei Jahre nach Institutsgründung im Alter von nur 43 Jahren. Sein wissenschaftlicher und publizistischer Nachlass wird heute in der Akademie der Künste, Berlin, verwahrt. Der Vortrag versucht, die Wurzeln von Kaufmanns Ideen zur Wertungsforschung nachzuzeichnen.
Der Vortrag wird in Deutsch gehalten.
Die IDEA Lectures (Interdisciplinary Debates on the Empirical Aesthetics of Music) versammeln namhafte Stimmen aus dem In- und Ausland, die sich aus den verschiedenen Perspektiven Fragen der musikalischen Produktion und Rezeption annehmen.
Musikwissenschaftler aller Teilbereiche sind ebenso beteiligt wie Musiker, Psychologen, Kognitionsforscher, Soziologen, Philosophen und Ethnologen.
Externe Gäste sind nach Anmeldung willkommen (069 8300 479-201)