Viel Spaß beim Ärgern!
Wissenschaftler versuchen die Lust an negativen Gefühlen beim Erleben von Kunst und Unterhaltung zu erklären
Kunst und Unterhaltung können in uns positive Emotionen wecken. Warum aber finden Menschen Gefallen an Horrorfilmen, an Dramen oder anderen Kunsterlebnissen, die negative Gefühle hervorrufen? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Dieser Frage ging eine Gruppe von Wissenschaftlern nach.
Zusammen mit der Berliner Theatergruppe "a rose is" wurde von den Wissenschaftlern aus Frankfurt und Berlin eine moderne Theaterperformance mit dem Titel BrainCheck konzipiert. Bei einer Gruppe der Teilnehmer handelte es sich um Besucher des zeitgenössischen Theaterfestivals 100° in Berlin. Die andere Gruppe der Teilnehmer wurde per Zeitungsannonce von einer fiktiven Personalrekrutierungsfirma unter dem Vorwand einer Testbewertung eingeladen.
Valentin Wagner vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt, der die Studie leitete, berichtet: "Beide Gruppen erlebten die identische Performance: je in einer Eins-zu-eins-Situation zwischen Schauspieler und Teilnehmer. Die Teilnehmer beider Gruppen wussten nicht, dass sie de facto an einer wissenschaftlichen Studie teilnahmen. Die Performance selbst war ein Potpourri aus psychologischen Leistungstests und experimentalpsychologischen Methoden zur Hervorrufung von Ärger."
Die Theaterbesucher gingen also davon aus, einer künstlerischen Performance beizuwohnen; die Teilnehmer, die per Zeitungsannonce eingeladen worden waren, gingen von einem (vermeintlich) wissenschaftlich fundierten Leistungstest aus, dem sie sich zum Zweck der Validierung eines neu entwickelten Tests unterzogen. Alle Teilnehmer bekamen dieselben unlösbaren Aufgaben gestellt, erhielten falsches Feedback und wurden von einem unwirschen Versuchsassistenten geärgert und belästigt, der durch einen professionellen Schauspieler verkörpert wurde. Während der Performance erfolgten – deklariert als integraler Teil der Performance/der Testvalidierung – Befragungen zum aktuellen Gefühlszustand und Messungen des Blutdrucks. Nach der Performance wurde eine umfassende Nachbefragung durchgeführt.
Sowohl die Selbstberichte als auch die physiologischen Messwerte zeigten für beide Teilnehmergruppen eine deutliche Verärgerung im Laufe der Performance. Die Verärgerung der Theaterbesucher fiel allerdings deutlich geringer aus. Zudem erlebten die Theaterbesucher wesentlich mehr Spaß und Interesse an der Performance als die Teilnehmer des "Leistungstests" und fanden insgesamt deutlich mehr Gefallen daran.
Die Wissenschaftler konnten damit zeigen, dass das explizite und rein kognitive Wissen darum, dass Kunst und Unterhaltung erlebt wird, ein wichtiger Faktor für das lustvolle Erleben von negativen Emotionen in Kunst- und Unterhaltungskontexten ist. (Weitere Faktoren werden aktuell untersucht.)
Originalpublikation:
Wagner, V., Klein, J., Hanich, J., Shah, M., Menninghaus, W., & Jacobsen, T. (2015). Anger Framed: A Field Study on Emotion, Pleasure, and Art. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts. Advance online publication. doi:10.1037/aca0000029
Unter https://vimeo.com/21399686 findet sich – zusammengestellt aus Filmaufnahmen während der Proben – eine kurze Darbietung der Performance.
Weitere Studien zu diesem Thema:
Wagner, V., Menninghaus, W., Hanich, J., & Jacobsen, T. (2014). Art schema effects on affective experience: The case of disgusting images. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts, 8(2), 120–129. doi:10.1037/a0036126
Hanich, J., Wagner, V., Shah, M., Jacobsen, T., & Menninghaus, W. (2014). Why we like to watch sad films. The pleasure of being moved in aesthetic experiences. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts, 8(2), 130–143. doi:10.1037/a0035690
Kontakt:
Dr. Valentin Wagner
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, Frankfurt am Main
+49 69 8300479-113
valentin.wagner@ae.mpg.de